Schwester Ursel erzählt, wie sie Schwester wurde

Ein Mädchen und drei Jungs

Ich wuchs mit drei Brüdern in einem christlich geprägten Elternhaus auf. Nach der Geburt des Jüngsten weinte ich bitterlich. Ich hatte mir so sehr eine Schwester gewünscht. Doch gerade der kleine Bruder wurde zur großen Freude meiner Kindheit und Jugendzeit. Der zweite Höhepunkt war der CVJM-Posaunenchor: Mit acht Jahren wurde ich endlich aufgenommen und lernte Trompete spielen. Am Schluss waren wir ein Familien-Blas-Quartett: mein Vater, meine zwei jüngeren Brüder und ich.

Ein Gott, der sorgt

Eine Freundin „schleppte“ mich auf das Pfingstjugendtreffen in Aidlingen. Dort erlebte ich zum ersten Mal junge Schwestern in Aktion: im Großzelt, am Bücherstand, beim Essen austeilen, im Mutterhausgebäude. Überall waren sie mit ihren fröhlichen Gesichtern zu erleben.

Damals war ich ziemlich verzweifelt. Eine schleichende Krankheit quälte mich. Niemand konnte mir helfen. Überwältigt von den Liedern, Predigten und der seelsorgerlichen Zuwendung, ging mir auf: Gott kann mir helfen, Gott kann für mich sorgen. Von da an war die Verbindung mit Gott geschlossen. Die Gewissheit, dass er sorgt und hilft, leuchtete durch alle nachfolgenden Jahre hindurch.

Ein Beruf nach Wunsch?

Ich erhielt eine Zusage für meinen Traum-Ausbildungsplatz in der Kinderkrankenpflege. Unter vielen Bewerbern wurde ich ausgesucht. Ich war glücklich. Mein Wunsch war, in der Heimat zu bleiben, den Mädchenkreis zu leiten und am geliebten Posaunenchor teilnehmen zu können.

Dann: Jemand, der mir nahestand, empfahl mir die Krankenpflege-Ausbildung in Kirchheim/Teck. Ich wollte nicht, doch sah ich hinter der Empfehlung eine Anfrage Gottes. Ich bewarb mich. Beim Vorstellungsgespräch erfuhr ich, dass die Chance, einen Platz zu erhalten, gleich null war. Aber, o Wunder, ich wurde angenommen. Die Krankenpflegeschule wurde von Aidlinger Diakonissen geleitet. Tatsächlich erlebte ich zum ersten Mal lebendiges Christsein, d.h. Glaube und Leben gehören zusammen und greifen im Alltag ineinander.

Mein nächster Schritt führte mich nach Lauffen/Neckar in ein 50-Betten-Krankenhaus, ebenfalls mit Schwestern im Pflegedienst. Ich war Anfang 20 und voller Fragen: Was will Gott von meinem Leben? Wohin führt er mich?

Der Satz "Wenn Jesus Christus Gott ist und für mich starb, kann mir kein Opfer zu groß sein, um es ihm darzubringen" traf mich wie ein Blitz.

Ein Geschenk mit Folgen

Die Antwort kam völlig überraschend in der darauffolgenden Silvesternacht. Zum Weihnachtsfest hatte ich das Lebensbild von Charles Studd – einem leidenschaftlichen Missionar – geschenkt bekommen mit der Bitte, es möglichst bald zu lesen. Der Satz „Wenn Jesus Christus Gott ist und für mich starb, kann mir kein Opfer zu groß sein, um es ihm darzubringen“ traf mich wie ein Blitz. Sofort wusste ich: Als nächstes ist die Bibelschule in Aidlingen dran. Ich drehte jeden roten Pfennig um, bevor ich ihn ausgab, denn ich brauchte Geld für zwei Jahre ohne Einkünfte. Wie durch ein Wunder kam die nötige Summe zusammen.

Im Mutterhaus in Aidlingen angekommen, ließ ich mich auf das intensive Studieren der Bibel und ausgiebige Zeiten des Gebets ein. Nach und nach wurde mir klar: Mein Weg führt in die Schwesternschaft. Damit waren meine Eltern nicht einverstanden. Eines Morgens saß ich entmutigt im Unterricht. Hatte ich mich getäuscht? Zu Beginn der Unterrichtsstunden suchten wir Schülerinnen meistens ein Lied aus. Ich bat Gott, dass bei der nächsten Stunde das Lied „Gottes (An)Ruf überrascht uns“ gewünscht würde. Und tatsächlich, aus vielen Liedern wählte eine meiner Mitschülerinnen genau dieses Lied aus.

Ein Wunder - auf nach Australien

Der Konflikt mit meinen Eltern hielt an. Meiner Patentante konnte ich mich anvertrauen und von meiner Berufung erzählen. Sie freute sich mit mir und machte mir ein einmaliges Angebot: die Finanzierung einer Flugreise zu unseren Verwandten nach Australien. Ich verbrachte ein halbes Jahr am anderen Ende der Welt. Unzählige Begegnungen und unzählige Eindrücke bereicherten mich.

Um Ruhe und Zeit zum Hören auf Gott zu haben, erbat ich mir eine kleine Auszeit. Freunde meiner Verwandten boten mir dazu ihr Ferienhaus auf Philipp Island an.

Auf Gottes Wegen liegt Sein Segen

Konnte Gott nicht nochmals die Berufung als Diakonisse bekräftigen – weit weg von Aidlingen? Er konnte, aber er selbst bestimmte Zeit und Ort für sein Reden. Dies geschah erst bei meiner Cousine in Melbourne. Während der stillen Zeit am Morgen sprang mich ein Bibelwort an. Ich wusste nun eindeutig: Gott möchte, dass ich in die Aidlinger Schwesternschaft eintrete. Zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Australien gehörte ich zu den sieben jungen Frauen, die als Diakonissen aufgenommen wurden.

<< Seither erlebe ich immer wieder neu: Auf Gottes Wegen liegt Sein Segen.>> Sr. Ursel Scheerle